Persönlichkeits-Veränderung

Eine Demenz kann die Persönlichkeit des Betroffenen stark verändern. Der Umgang damit ist für Betroffene und Angehörige anspruchsvoll. 

Persönlichkeit ist ein zentraler Begriff der Psychologie, die damit das für eine Person charakteristische Muster des Denkens, Fühlens und Handelns beschreibt. Eine eindeutige Definition des Persönlichkeitsbegriffs gibt es nicht, vielmehr verfolgt die Wissenschaft verschiedene Ansätze zur Beschreibung, Entwicklung und Veränderung der Persönlichkeit. 

Was ist das Big-Five-Modell?

Zur Benennung der Hauptdimensionen der Persönlichkeit dient in der Regel das Fünf-Faktoren-Modell (Big-Five-Modell): 

  • Kontrolle der Emotionen (Neurotizismus)
  • Geselligkeit und Optimismus (Intro- oder Extraversion)
  • Offenheit für Erfahrungen (Wissbegierde, Experimentierfreudigkeit)
  • Verträglichkeit (Neigung zur Zusammenarbeit und Empathie)
  • Gewissenhaftigkeit (Disziplin und Leistungsbereitschaft)
Quelle youknow/YouTube

Studien zeigen, dass sich diese Faktoren während der Lebensspanne eines Menschen durch Schicksalsschläge oder sehr positive Lebensereignisse stark verändern können. Oft werden Persönlichkeitsveränderungen aber auch als Anpassung an neue soziale Rollen, etwa den Eintritt ins Berufsleben oder Elternschaft, beobachtet. Forschungen ergaben, dass eine Persönlichkeitsveränderung im Alter besonders häufig vorkommt. Die Verträglichkeit und die emotionale Labilität nehmen meistens zu und die Extrovertiertheit sowie die Offenheit ab, weil ältere Menschen wahrscheinlich eher mit inneren Themen beschäftigt sind und neue Entdeckungen weniger wichtig werden. 

Bei der Ausgestaltung der Persönlichkeit sind viele Bereiche des Gehirns beteiligt, die wichtigsten befinden sich im vorderen Teil des Gehirns und im so genannten limbischen System, das vor allem an der Verarbeitung von Gefühlen beteiligt ist.

Welche Veränderung entsteht durch eine Verletzung?

Neben psychischen Erkrankungen können Schädigungen des Gehirns, etwa durch einen Unfall oder Schlaganfall, zu Persönlichkeitsveränderungen führen. Besonders oft ist dies der Fall, wenn der vordere Hirnbereich geschädigt ist. Typisch dabei sind folgende Persönlichkeitsveränderungen:

  • Schwierigkeiten, zielgerichtete Aktivitäten über längere Zeiträume hinweg durchzuhalten
  • Mangelnde Frustrationstoleranz
  • Emotionale Labilität, etwa Witzelsucht, Wutanfälle oder Apathie
  • Missachtung von sozialen Normen, etwa Vernachlässigung der Körperpflege oder Distanzlosigkeit 
  • Störungen der Wahrnehmung und des Denkens, wie übertriebenes Misstrauen oder exzessive Beschäftigung mit einem Thema
  • Auffällige Veränderungen in der Sprachproduktion
  • Fehlende Krankheitseinsicht

Wie entsteht eine Persönlichkeitsveränderung durch Demenz?

Hirnschädigungen verursachen unter anderem auch die bei Menschen mit Demenz häufig auftretenden Wesensänderungen. Besonders ausgeprägt sind sie bei der Frontotemporalen Demenz – bei den Betroffenen treten markante Verhaltensauffälligkeiten meist schon bei Krankheitsbeginn auf. Dazu zählen exzessives Essverhalten, anzügliche Bemerkungen, Witzelsucht und Vernachlässigung der Körperpflege.

Bei anderen Demenzformen stehen Persönlichkeitsveränderungen anfangs weniger stark im Vordergrund. Auffällig ist dann vor allem die Vergesslichkeit. Grundsätzlich kann das ängstliche oder aggressive Verhalten von Menschen mit Demenz aber auch als Reaktion auf die Verunsicherung interpretiert werden, welche die Krankheit für sie mit sich bringt. 

Zu Beginn der Erkrankung fühlen sie sich von ihrer Desorientierung bedroht und reagieren darauf mit ungewohnt heftigen Wutausbrüchen oder tiefer Traurigkeit. Im späteren Krankheitsverlauf ist das auffällige und oft befremdliche Verhalten von Menschen mit Demenz die einzig verbleibende Möglichkeit sich mitzuteilen, ihre Überforderung oder ihr Unbehagen zu signalisieren und in Kontakt mit anderen zu treten.

Für Angehörige ist es schwer zu verstehen, dass sich eine einst sanftmütige Person hochaggressiv verhält oder ein vormals sehr geselliger Mensch völlig menschenscheu wird. Für die Betroffenen selbst ist ihr Verhalten aber die logische Reaktion, ihre Bedürfnisse und Empfindungen mitzuteilen.

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Deshalb ist es wichtig, Veränderungen in der Persönlichkeit von Menschen mit Demenz ernst zu nehmen. Sie bildet sie sich entgegen vieler Ansichten nicht zurück. Der Betroffene bleibt über den ganzen Krankheitsverlauf hinweg «er selbst» mit all seinen Eigenarten. Und so sollte er auch wahrgenommen werden.

So kannst du mit Persönlichkeitsveränderungen bei Demenz umgehen

  1. Empathie und Geduld: Versuche, die Situation aus der Sicht der betroffenen Person zu sehen. Sei geduldig und einfühlsam, auch wenn sich ihr Verhalten und ihre Stimmung ändert.
  2. Kommunikation: Klare und einfache Kommunikation ist entscheidend. Verwende kurze Sätze, sprich langsam und höre aufmerksam zu. Achte auf nonverbale Signale wie Körpersprache.
  3. Struktur und Routine: Menschen mit Demenz profitieren oft von einer strukturierten Umgebung und täglichen Routinen. Dies kann dazu beitragen, Verwirrung und Angst zu reduzieren.
  4. Flexibilität: Sei flexibel und passe dich den Bedürfnissen der betroffenen Person an. Es ist wichtig, sich an Veränderungen anzupassen und nicht auf starre Erwartungen zu bestehen.
  5. Ablenkung und Beruhigung: Wenn die Person ängstlich oder aggressiv wird, versuche, sie abzulenken oder zu beruhigen. Dies kann durch Musik, Spaziergänge oder beruhigende Aktivitäten geschehen.
  6. Respektieren der Würde: Behandle die Person mit Demenz mit Respekt und Würde. Vermeide es, sie zu korrigieren oder zu beschämen, wenn sie Dinge vergessen oder falsch macht.
  7. Unterstützung suchen: Pflegekräfte und Angehörige sollten sich nicht scheuen, Unterstützung von Fachleuten wie Gerontologen, Psychologen oder Sozialarbeitern zu suchen, um den Umgang mit Persönlichkeitsveränderungen bei Demenz zu bewältigen.
  8. Selbstfürsorge: Vergiss nicht, auf dich selbst aufzupassen. Die Betreuung einer Person mit Demenz kann emotional und körperlich belastend sein. Suche regelmäßige Pausen und Unterstützung, um dich zu erholen.
  9. Medikamente: In einigen Fällen kann die Verwendung von Medikamenten in Absprache mit einem Arzt notwendig sein, um Verhaltensprobleme im Zusammenhang mit Demenz zu behandeln.
  10. Bildung: Je mehr du über die spezifische Art der Demenz und die damit verbundenen Persönlichkeitsveränderungen weisst, desto besser bist du in der Lage, angemessen zu reagieren und die Bedürfnisse der betroffenen Person zu verstehen.

Es ist wichtig zu beachten, dass jeder Fall von Demenz einzigartig ist, und die Veränderungen in der Persönlichkeit von Person zu Person variieren können. Ein individueller Ansatz ist daher entscheidend, um den Umgang mit diesen Veränderungen bestmöglich zu gestalten.

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> Tim Kitwood, Demenz – Der personzentrierte Ansatz im Umgang mit verwirrten Menschen, Hogrefe, 2019

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> Tabea Stoffers, Demenz erleben – Innen- und Aussenansichten einer vielschichtigen Erkrankung, Springer Fachmedien, 2016

> Hier gibt’s Informationen zu Umgang und Kommunikation der Deutschen Alzheimer Gesellschaft

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